Handelsblatt | Komplettes Interview
Die Folgen des Klimawandels haben unser Denken verändert: Nachhaltigkeit wird zur Grundlage aller Unternehmensaktivitäten in allen Branchen. Vor allem bei ihrer Mobilität können Firmen schnell Emissionen und Kosten senken – und zugleich für Mitarbeitende attraktiver werden. Wie? Das zeigt Michael Poglitsch, Managing Director des Mobilitätsspeazialisten Mobinck.
Vor welchen Herausforderungen stehen Unternehmen, die eine nachhaltige Mobilität wollen?
Einerseits fordern gesetzliche Vorschriften, Mobilität nachhaltig zu gestalten: das „95-Gramm-Ziel“ für die Gesamtflotte bis 2024, Reduktion der Treibhausgase bis 2030 auf 85 Millionen Tonnen oder die europäische Richtlinie CSRD zur Nachhaltigkeitsberichterstattung. Künftig muss auch der CO2-Wert für berufliches Pendeln nachgewiesen werden. Auch deshalb brauchen Unternehmen umweltschonende Lösungen für ihre Angestellten. Dazu kommt: Viele Mitarbeitende haben ihr Mindset verändert. Für sie ist Klimaneutralität nicht mehr verhandelbar.
Wie können Unternehmen all diesen Anforderungen gerecht werden?
Da gibt es mehrere Möglichkeiten: Ein Switch auf E-Autos in der Flotte, der Einsatz von Telematik, eine bessere Auslastung der verfügbaren Fahrzeuge, Diensträder oder ein Mobilitätsbudget, mit dem Mitarbeitende auch den öffentlichen Nahverkehr oder die Bahn nutzen können. Laut der 2022 Global Fleet Survey beträgt der durchschnittliche CO2-Ausstoß in europäischen Flotten pro Fahrzeug etwa 119 Gramm per Kilometer – statt der 95 Gramm, die zukünftig gefordert werden. Wir haben einen großen Kunden, der allein durch das Nutzen einer vernetzten Telematik seine Emissionen drastisch reduzieren und acht Prozent Treibstoffkosten einsparen konnte. Unsere Ventures „Moove“ und „XPOfleet“ betreuen mehr als 4000 Autos dieses Kunden in 13 Ländern.
Reicht es nicht aus, wenn statt der bisher üblichen Verbrenner Elektroautos eingesetzt werden?
In der Tat werden bisher schwere und stark motorisierte Autos der Mittel- und Oberklasse mit Verbrennungsmotor als Dienstwagen eingesetzt. Deshalb sind Dienstfahrzeuge hierzulande für 76 Prozent der Neuwagenemissionen verantwortlich. Setzt ein Unternehmen dagegen auf E-Mobilität, lassen sich bei flottenüblicher Fahrleistung pro Jahr und Fahrzeug etwa vier Tonnen CO2-Emissionen einsparen. Um den politischen Vorgaben zu entsprechen, muss jedoch in vielen Fällen die Unternehmensmobilität umstrukturiert und vor allem die Fahrleistung reduziert werden.
Also virtuelle Meetings statt Dienstreisen?
Nicht unbedingt. Derzeit organisieren oft unterschiedliche Unternehmensbereiche jeweils einzeln Flottenmanagement, Fuhrparkverwaltung, Parkraummanagement, Sicherheitssysteme zur Reduzierung von Unfällen sowie Dienstreisen und Benefits für Mitarbeitende wie Jobtickets oder Diensträder. Würde ein ganzheitliches Mobilitätsmanagement all diese Bereiche koordinieren, ließen sich Ausgaben und Emissionen reduzieren. Spezielle Tools helfen, spezifische Lösungen passgenau für Unternehmen und ihre Angestellten zu finden.
Welches sind die größten Hindernisse bei der Umsetzung neuer Mobilitätslösungen?
Die Global Fleet Survey hat ebenso ergeben, dass Unternehmen vor allem Informationen und Zeit für einen grundlegenden Wandel ihrer Mobilität fehlen. Es fällt ihnen schwer, ein Angebot zusammenzustellen, das als positive Alternative zum Dienstwagen wahrgenommen wird. Mobilität jedoch kann als strategisches Instrument eingesetzt werden, um Unternehmen wettbewerbsfähiger, effizienter, nachhaltiger und attraktiver für Mitarbeitende und neue Talente zu machen.
Das hört sich nach einem allumfassenden Wandel an. Schafft ein Unternehmen das allein?
Man muss nicht alle Themen sofort bearbeiten. Zuvor genannter Kunde hat mit der Erhöhung der Fahrersicherheit und dem Senken von Emissionen und Kosten angefangen. Outsoucing und Beratung hilft: Vielen Unternehmen fehlt zum Beispiel das Know-how, um aus Tankdaten den realen CO2-Ausstoß und Durchschnittsverbräuche zu ermitteln. Oder eine Lösung zu entwickeln, die alle Daten konsolidiert, wenn Mitarbeitende sowohl Auto, Fahrrad also oder auch ein Mobilitätsbudget nutzen. Da haben externe Fachleute einen besseren Blick für das, was umsetzbar ist – und die passenden Tools. Bei Mobinck zum Beispiel gibt es sechs Ventures, die auf jeweils einen Bereich spezialisiert sind. Aber für jedes Unternehmen entwickeln sie gemeinsam die individuell passendste Lösung – egal ob intelligente Fuhrparkverwaltung, smarte Lösungen im Bereich Parkraummanagement, Sicherheitssysteme zur Reduzierung von Unfällen oder auch moderne Tools etwa für Mobilitätskarten. Oder auch eine Kombination aus den Tools in einem komplett holistischen Ansatz.
Wie kann das aussehen?
Zum Beispiel erfasst ein „Mobility Scan“ die Pendelstrukturen der Mitarbeitenden und ihre Mobilitätsbedürfnisse. Dazu entwickeln wir dann Lösungen, die als Alternative zum herkömmlichen Pendeln implementiert werden können. Wir haben beispielsweise in unserem Venture „Fleet Support“ ein Programm, in dem wir Firmen helfen, ihre Flotte zu elektrifizieren. Details dazu stehen in unserem Whitepaper "Move to Zero" auf unserer Website. Mit XXImo bieten wir eine Mobilitätsplattform, die Geschäftsreisen, Belegmanagement und (Pendel-)Mobilität zusammenführt. Es kommt aber im Einzelnen immer darauf an, was genau der Bedarf eines Unternehmens ist.